Der Wohnungsnot in Deutschland ist ein Problem, das in den letzten Jahren immer mehr an Dringlichkeit gewonnen hat. Eine im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“ durchgeführte Studie des Pestel-Instituts Hannover prognostiziert für 2023 ein Defizit von 700.000 Wohnungen und damit den größten Wohnraummangel seit 20 Jahren. Das wichtigste wohnungspolitische Ziel der aktuellen Legislaturperiode bestand daher auch in dem Plan, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen. Doch wie die Protectum eG in der vergangenen Woche berichtet hatte, wurde dieses Ziel in den ersten zwei Jahren der Regierungszeit bereits weit verfehlt.
Und der Wohnraumbedarf wird in absehbarer Zukunft nur noch weiter anwachsen. Gründe sind neben der Zuwanderung unter anderem auch die zunehmende Zahl der Single-Haushalte und die tendenziell steigende Wohnfläche pro Person. Um dieser immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Angebot und Nachfrage entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung den sogenannten „Bau-Turbo-Pakt“ aus der Taufe gehoben. Diese gemeinsame Initiative zwischen Bund und Ländern soll dazu beitragen, die Planung und die Genehmigung von Projekten in Orten mit hohem Wohnraumbedarf zu beschleunigen und so Bauvorhaben schneller umzusetzen. Die Protectum eG beleuchtet die Maßnahmen etwas näher.
Zentrale Maßnahmen des „Bau-Turbo-Pakts“
Die Gründe für die aktuelle Knappheit auf dem Wohnungsmarkt und die Schwierigkeiten der Baubranche, den steigenden Bedarf decken zu können, sind vielschichtig: Neben explodierenden Baukosten, Fachkräftemangel und Materialengpässen ist es vor allem die Komplexität von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die der Bauwirtschaft Probleme bereitet. Die Vielzahl an Vorschriften und Verordnungen im Baurecht kann dafür sorgen, dass von der Planung bis zur Baugenehmigung ein – für effizientes Bauen zu – langer Zeitraum verstreicht.
Der „Bau-Turbo-Pakt“ soll insbesondere in diesem Punkt jetzt Abhilfe schaffen, indem er Bürokratie abbaut, rechtliche Vorgaben vereinfacht und Genehmigungsverfahren beschleunigt. Eine zentrale Maßnahme der Bund-Länder-Initiative besteht im möglichen Verzicht auf einen Bebauungsplan. Dieses normalerweise vor der Erstellung von Wohngebäuden notwendige Dokument soll künftig für einen befristeten Zeitraum nicht mehr benötigt werden, solange die betreffende Gemeinde zustimmt. Dies dürfte die Bauämter entlasten und die Genehmigungsverfahren entscheidend verkürzen.
Für Bauanträge im vereinfachten Genehmigungsverfahren gilt zudem die sogenannte „Genehmigungsfiktion“: Wenn die zuständige Behörde nicht innerhalb von drei Monaten über den Antrag entschieden hat, gilt das Vorhaben als genehmigt.
Wie die Protectum eG hervorhebt, besteht ein besonders Anliegen des „Beschleunigungspaktes“ darin, Wohnraum zu schaffen, indem in die Höhe und auf Dächern gebaut wird. Dieses Bestreben wird durch eine besondere Regelung für die Umnutzung von Dachgeschossen vorangetrieben: Für den Umbau und die Aufstockung von Dachgeschossen zu Wohnzwecken werden demnächst unter gewissen Voraussetzungen keine Baugenehmigungen mehr nötig sein.
Darüber hinaus müssen sich Eigentümer, die durch Umbauten oder Aufstockungen an ihrer Immobilie Wohnraum schaffen, keine Sorgen mehr um die Kfz-Stellplatzanforderungen machen: Die Pflicht, für diese zusätzlichen Wohnraum Kfz-Stellplätze zur Verfügung zu stellen, ist unter den Regelungen des „Bau-Turbo-Paktes“ hinfällig.
Aus Sicht der Protectum eG ist der Bund-Länder-Pakt ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um den Wohnungsmangel in Deutschland zu bekämpfen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie effektiv er in der Praxis sein wird und ob er die gewünschten Ergebnisse erzielen kann.